Tunnel in Istanbul – die Verbindung zweier Kontinente ist eröffnet!
Von einem Tunnel, der unter dem Bosporus verläuft und den europäischen mit dem asiatischen Teil verbindet, wurde schon geträumt, als Istanbul noch Hauptstadt des Osmanischen Reiches war. Es sollten jedoch viele Jahre und Jahrzehnte ins Land gehen, bis der Traum zur Realität wurde.

2004 fiel der Startschuss zu dem Bauvorhaben, das die türkische Regierung Projekt des Jahrhunderts nennt. Pünktlich zum 90. Geburtstag der türkischen Republik konnte der Tunnel schließlich feierlich in Betrieb genommen werden.
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Die Pläne für einen Eisenbahntunnel unter dem Meer reichten weit zurück.
Erste Ideen für einen Eisenbahntunnel als Verbindung der beiden Kontinente gab es schon um 1860. Seinerzeit hatten die Ingenieure eine Röhre vor Augen, die von Pfeilern gehalten über dem Meeresgrund positioniert werden sollte. Die damals verfügbare Technik ließ eine Umsetzung der Pläne jedoch nicht zu.
Rund 150 Jahre später, nach neuen Machbarkeitsstudien und weiteren Planungen, begann schließlich das Projekt Marmaray. Marmaray ist ein Kunstwort, das sich aus Marmara und dem türkischen Wort für Gleis ray zusammensetzt.
Die Schienenstrecke des Bauwerks, die sich durch Stadtteile im europäischen und im asiatischen Teil Istanbuls schlängelt, erstreckt sich über eine Länge von insgesamt rund 77 Kilometern.
Knapp 14 Kilometer davon verlaufen unterirdisch durch den neuen Tunnel, das Teilstück unter dem Meer ist etwa 1,4 Kilometer lang. Mit Kosten von über 2,5 Milliarden Euro und einem enormen technischen Aufwand gehört das Marmaray-Projekt zu den weltweit größten Infrastrukturprojekten der jüngeren Vergangenheit.
Ein türkisch-japanisches Konsortium fräste mit riesigen Tunnelbohrmaschinen in den Grund der Meerenge und verankerte in einer Tiefe von 56 Metern elf Tunnelelemente aus Stahl und Beton.
Ein Teil des Tunnels verläuft jetzt unterirdisch, der andere Teil durch eine Röhre, die in den Meeresboden eingespült ist.
Das Zusammenspiel aus japanischer Hochtechnologie und türkischer Arbeitskraft wurde unter anderem auch aus Deutschland unterstützt: Während ein deutscher Chemieriese ein Zusatzmittel für den Spezialbeton beisteuerte, lieferte ein deutscher Technologiekonzern die gesamte signal- und leittechnische Ausstattung des Tunnels.

Tunnel in Istanbul – die Verbindung zweier Kontinente ist eröffnet!
Für den Tunnel war ursprünglich eine Bauzeit von vier Jahren angesetzt gewesen. Archäologische Funde führten jedoch immer wieder zu Verzögerungen. So wurde bei Bauarbeiten unter der Stadt beispielsweise ein byzantinischer Hafen entdeckt, der auf das 4. Jahrhundert datiert wird.
Bis zur endgültigen Fertigstellung des gesamten Infrastrukturprojekts werden noch ein paar Jahre vergehen. Pünktlich zu dem Tag, an dem sich die Gründung der türkischen Republik zum 90. Mal jährte, konnte der neue Super-Tunnel jedoch feierlich eingeweiht werden.
An der Eröffnungsfeier nahm neben dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan auch der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe teil.
Im Zwei-Minuten-Takt sausen S-Bahnen unter der Meerenge zwischen den beiden Kontinenten hin und her. Angaben der Betreiber zufolge können so bis zu 75.000 Fahrgäste pro Stunde transportiert werden.
Dies wiederum könnte zu einer spürbaren Entlastung des Verkehrs in der Mega-Metropole beitragen. Noch ist die gesamte Schienenstrecke nicht fertig gestellt und vorerst wurde nur der S-Bahn-Verkehr unter dem Bosporus in Betrieb genommen. Die Pläne sind aber schon jetzt deutlich weiter. So sollen ab 2015 auch Fernzüge den Tunnel nutzen.
Das Marmaray-Projekt versteht sich als Schienenkorridor, der London und Peking miteinander verbindet, und soll zum Teilstück einer modernen Neuauflage der Seidenstraße zwischen Europa, dem Nahen Osten und Asien werden.
Eine erstmalige Verbindung zwischen Europa und Asien ist der neue Tunnel zwar nicht. Zugverbindungen von London nach Peking, die über Berlin und Moskau führen, gibt es bereits.
Die Transsibirische Eisenbahn überquert die asiatisch-europäische Grenze im Ural. Die Marmaray-Strecke wird jedoch in Zukunft eine Alternative und dabei die erste normalspurige Schienenverbindung zwischen Asien und Europa sein.
Übrigens sind sich die Konstrukteure aller Skepsis zum Trotz sicher, dass der Tunnel selbst schweren Erdbeben problemlos standhält.
Der türkische Verkehrsminister Binali Yildirim erklärte gar, der neue Eisenbahntunnel wäre nicht nur erdbebensicherer als manche Hochhäuser in Istanbul, sondern hinsichtlich Erdbeben der sicherste Ort der Stadt.

Der neue Istanbuler Tunnel ist nur ein Großprojekt, weitere sind geplant.
Die Regierung unter Ministerpräsident Erdogan hat große Pläne für den Umbau Istanbuls. Der Bosporus-Tunnel ist nur ein Großprojekt davon. Neben einer dritten Brücke über den Bosporus soll beispielsweise ein weiterer Flughafen im europäischen Teil der Stadt folgen und die Mega-City so zu einem der wichtigsten Drehkreuze im globalen Luftverkehr werden lassen.
Für den Schiffsverkehr plant Erdogan einen großen Kanal westlich von Istanbul, der wie eine Art zweiter Bosporus das Marmarameer und das Schwarze Meer miteinander verbinden soll.
Dieses Projekt soll 2023 und damit zum 100. Geburtstag der Türkei fertig werden. Erdogans Pläne klingen vielversprechend, die Großprojekte sind jedoch regelmäßig auch Auslöser für heftige Debatten und Proteste.
Die Umbaumaßnahmen kurbeln die Wirtschaft an und für die Wettbewerbsfähigkeit ist eine solide Infrastruktur unumgänglich. So manchem Istanbuler gehen die Umbaumaßnahmen seiner Stadt aber schlichtweg zu schnell und zu weit.

Wie unterquert man ein Meer? So „liegt“ der Tunnel im Bosporus
Der Tunnel kombiniert zwei Bauweisen: unterirdisch gebohrte Abschnitte an Land und eine eingespülte Röhrenkonstruktion im tiefsten Bereich der Meerenge.
Die einzelnen Tunnelelemente – massive Kästen aus Stahlbeton – wurden im Trockendock gefertigt, verschlossen, schwimmend an ihre Position geschleppt und millimetergenau in einen vorbereiteten Graben abgesenkt.
Danach folgte das Verfüllen und Überschütten, damit die Röhre im Meeresboden „verzahnt“ liegt. So entsteht ein dichtes, durchgehendes Bauwerk – robust gegen Strömung, Schiffsverkehr und die belastete Hafenhydraulik.
Der „unsichtbare“ Übergang: Bohrtunnel trifft Absenkröhre
Dort, wo die Landtunnel auf die Meeresröhre treffen, sorgen Schnittstellenbauwerke für wasserdichte Verbindungen und exakte Gleislage. Diese Übergänge sind ingenieurtechnisch heikel – hier gleichen Fugenbänder, Kompressionslager und präzise Vermessung kleinste Setzungen aus.
Das Resultat: ein ruhiger Lauf der Züge, auch bei Lastwechseln und Temperaturschwankungen.
Erdbebensicherheit: konstruiert für Bewegung, nicht gegen sie
Istanbul liegt in einer aktiven Erdbebenregion.
Der Tunnel „gewinnt“ seine Sicherheit, indem er Bewegungen gezielt zulässt und kontrolliert ableitet:
- Flexible Dehnfugen zwischen den Tunnelelementen nehmen Längs- und Querverschiebungen auf.
- Gelenkige Kupplungen und Dichtungssysteme erhalten die Wasserdichtheit auch bei Relativbewegungen.
- Mehrstufige Redundanz (Konstruktion, Abdichtung, Entwässerung) sorgt dafür, dass ein Versagen einer Schicht nicht zum Ausfall führt.
- Dynamische Bettung und Masseverteilung reduzieren Erschütterungsspitzen.
Das Prinzip dahinter ist simpel und wirksam: Elastizität statt Starrheit. So entsteht jene Robustheit, die die Planer dem Bauwerk attestieren.
Betrieb im Takt: Kapazität, Knoten, Reisezeitgewinn
Der Tunnel ist als Hochleistungs-Stadtkorridor ausgelegt. Kurze Zugfolgen, standardisierte Türzeiten und durchgehende Bahnsteigkanten schaffen dichte Takte. Umschlagpunkte wie Sirkeci (Europa), Üsküdar (Asien) und Yenikapı sind als Umsteigedrehscheiben konzipiert – hier verzahnt sich die Bosporus-Querung mit dem städtischen Netz.
Was spüren Fahrgäste? Weniger Umwege über Brücken, direkte Relationen zwischen Arbeits- und Wohnquartieren und spürbar kürzere Reisezeiten im Ost-West-Korridor. Barrierearme Zugänge, klare Wegeleitung und Bahnsteigsicherheitssysteme (z. B. Bahnsteigabschrankungen, Überwachung, Notruf) sind für den dichten Betrieb essenziell.
Sicherheit & Notfallkonzept
Belüftung, Brandabschnitte, Querungsverbindungen/Fluchtwege, Notbeleuchtung und Kommunikationssysteme greifen wie Zahnräder ineinander.
Der Betrieb wird über moderne Leit- und Sicherungstechnik überwacht – Ausfälle einzelner Komponenten werden über Redundanzen abgefedert.
Archäologie unter Druck: bauen, dokumentieren, bewahren
Die Verzögerungen hatten einen Grund, der weit über Istanbul hinausstrahlt: außergewöhnliche Funde aus byzantinischer Zeit im Bereich Yenikapı.
Das Vorgehen folgte einem klaren Dreiklang: sichern – dokumentieren – integrieren. Archäologische Teams legten Befunde frei, dokumentierten Schicht für Schicht und passten den Bauablauf an.
So konnten Kulturerbe und Infrastruktur miteinander vereinbart werden – ein Lehrstück dafür, wie moderne Stadtentwicklung auf historischer Substanz aufbauen kann.
Einordnung im Weltmaßstab: was Marmaray besonders macht
Unterseeische Eisenbahntunnel gibt es mehrere – doch Marmaray verbindet zwei Kontinente im Kern einer 15-Millionen-Metropole. Anders als lange Fernverbindungen ist die Querung Teil eines urbanen Alltagsnetzes mit hohem Takt und knappen Umsteigezeiten.
Die technische Mischung aus Absenktunnel im Seebereich und sprechenden Stadtbahnknoten an Land ist in dieser Form selten – und macht den Bosporus unter der Wasserlinie zur täglichen Fußnote im Pendlerleben.
Blick nach vorn: Netzwirkung statt Einzelbauwerk
Die volle Stärke entfaltet sich im Verbund: Wenn Stadt- und Regionalstrecken aufeinander abgestimmt sind, entstehen durchgehende Ost-West-Achsen.
Das reduziert Umstiege, verteilt Last von Straßenbrücken und stabilisiert den Gesamtverkehr. Der Tunnel ist damit weniger „Shortcut unter dem Meer“ als Taktgeber einer ganzen Region.
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