Ausflugstipp: die Chora Kirche
Istanbul hat nicht nur die großen, weltberühmten Sehenswürdigkeiten zu bieten. Manchmal sind es gerade die weniger bekannten Stätten, die besonders eindrucksvoll sind. Und ein Beispiel dafür ist die Chora Kirche.
Die Hagia Sophia, die Blaue Moschee, der Topkapi Palast, der große Basar, die Brücken über den Bosporus: Das sind die Klassiker, die bei einem Istanbulbesuch üblicherweise auf dem Besichtigungsprogramm stehen. Dabei hält Istanbul jenseits der großen Touristenmagneten jede Menge weitere Highlights bereit.
Ein solches Juwel stellt dieser Beitrag vor: die Chora Kirche im Stadtteil Fatih. Die ehemalige byzantinische Kirche beherbergt Sakralzyklen im Stil der palaiologischen Renaissance, die zu den aufwändigsten und bedeutendsten weltweit gehören. Die herrlichen Holzhäuser aus osmanischer Zeit, die sich um die Kirche drapieren, laden ebenfalls dazu ein, auf den Spuren längst vergangener Tage zu wandeln.
Für diejenigen, die sich für Geschichte und Religion interessieren, aber auch für diejenigen, die eine andere Facette von Istanbul kennenlernen möchte, ist die Chora Kirche somit ein prima Ausflugstipp!
Inhalt
Die Geschichte der Chora Kirche
Bereits im 5. Jahrhundert stand außerhalb der Stadtmauern, die Kaiser Konstantin der Große im vorhergehenden Jahrhundert um seine neue Hauptstadt herum erbauen ließ, eine Kirche namens Chora. Chora bedeutet übersetzt soviel wie Land oder Umland. Als Kaiser Theodosius II. mit der Theodosianischen Landmauer die Verteidigungsmauer weiter nach Westen verschob, blieb der Name erhalten. Der Gebäudekomplex befand sich dadurch zwar im Stadtgebiet, doch der Name hatte inzwischen eine symbolische Bedeutung. Denn in der Kirche fanden sich Inschriften, die Christus „Land der Lebenden“ und Maria „Land des Unendlichen“ nennen.
In ihrer heutigen Bauform gibt es die Chora Kirche allerdings erst seit dem späten 11. Jahrhundert. Maria Doukania, Schwiegermutter von Kaiser Alexios I., stiftete die Kirche und wählte dabei wahrscheinlich die seinerzeit sehr beliebte Architektur der Vier-Säulen-Kirche. Ein teilweiser Einsturz der Kirche veranlasste Issak Komnenos, Enkel der Stifterin und dritter Sohn des Kaisers, zu einer grundlegenden Erneuerung und aufwendigen Umgestaltung der Chora Kirche.
Doch es sollte noch einmal zwei Jahrhunderte dauern, bis die Chora Kirche in einer dritten Bauphase ihre endgültige Form erhielt. Vom Verfall bedroht, wurde die Kirche von Grund auf renoviert, ausgebaut und ausgeschmückt. Die Bauarbeiten begannen 1315 und dauerten sechs Jahre, die Leitung übernahm Theodoros Metochites. Der Bauleiter war Kanzler und erster Schatzmeister unter Andronikos II. Palaiologos. Die Bilderzyklen und Mosaiken, die fortan die Kirche schmückten, gelten als eindrucksvolles Beispiel für die Renaissance der Palaiologen. Und sie gehören zu den prächtigsten Kirchenmosaiken aus byzantinischer Zeit, die in Istanbul erhalten sind.
Etwa ein halbes Jahrhundert nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen wurde die bis dahin christliche Chora Kirche in eine Moschee umgewandelt. Großwesir Atık Ali Paşa veranlasste außerdem, dass die Kirche ihren türkischen Namen Kariye Camii bekam. Das Bilderverbot im Islam war der Grund dafür, dass die Fresken und Mosaiken, die die zahlreichen Erdbeben in der Vergangenheit überstanden hatten, mit Putz bedeckt oder übertüncht wurden.
Ab 1948 riefen Thomas Whittemore und Paul A. Underwood ein Restaurierungsprogramm ins Leben, das zuerst vom Byzantine Institute of America und später vom Dumbarton Oaks Center für byzantinische Studien gesponsert wurde. Dadurch wurde es möglich, die Chora Kirche in ein Museum umzuwandeln und als wahres Juwel spätbyzantinischer Mosaikkunst und Freskenmalerei zu erhalten.
Die Mosaiken und Fresken in der Chora Kirche
Sowohl mit Blick auf die Qualität als auch auf die Quantität zählen die Mosaiken und Fresken in der Chora Kirche zu den bedeutendsten byzantinischen Bildwerken, die heute noch erhalten sind. Sie folgen nicht der streng stilisierten byzantinischen Kunst, sondern erinnern durch ihre lebendige und realistische Ausgestaltung vielmehr an italienische Fresken der frühen Renaissance.
Die Anmut, mit der sich die dargestellten Personen bewegen, verleiht den Bildern zusammen mit der frischen Farbgebung eine einmalige Eleganz und Leichtigkeit. Dabei ist die Vielfalt der biblischen Themen ein eindrucksvoller Beleg für die Schaffenskraft der byzantinischen Meister. Während die Mosaiken überaus detailreich von der Menschwerdung Gottes und der Erlösung der Menschen erzählen, widmen sich die Fresken in der Grabkapelle vorrangig dem zweiten Kommen Christi.
Die Chora Kirche als Grabstätte
Am nördlichen Ende der Kapelle findet sich ein aufwändig verzierter Bogen. Auch wenn die Inschrift nicht mehr erhalten ist, so gilt als sicher, dass sich hier das Grab von Theodoros Metochites befindet. Er war in seiner Funktion als Bauleiter nicht nur der Stifter der Kirche, sondern gehörte zu den wichtigsten Persönlichkeiten seiner Zeit.
Als Diplomat, hoher Regierungsbeamter, Theologe, Philosoph, Historiker, Astronom, Dichter und Kunstmäzen gilt er als einer der Wegbereiter und als typischer Vertreter der Renaissance der Palaiologen. Ein Staatsstreich von Andronikos III. hatte aber zur Folge, dass Metochites und andere Führungspersonen des früheren Regimes in Ungnade fielen. Metochites verlor seinen Besitz und wurde ins Exil verbannt. Erst kurz vor seinem Tod wurde ihm die Rückkehr in die Stadt erlaubt. Seinen Lebensabend verbrachte er im Chora Kloster, wo er im Mai 1331 verstarb.
Die Architektur der Chora Kirche
Nicht nur innen, sondern auch schon von außen präsentiert sich die Chora Kirche als eindrucksvolles Gebäude. Der Komplex besteht aus einer Vorhalle, einer Seitenkapelle auf der rechten Seite und einer zweigeschossigen Galerie auf der linken Seite. Auf dem Mittelraum thront eine Kuppel. Umgeben ist die Chora Kirche von alten osmanischen Holzhäusern, die auf Initiative eines türkischen Autoclubs mühevoll renoviert wurden.
Die Chora Kirche befindet sich in der Dervis Ali Mah. Kariye Türbesi Sokak im Stadtteil Fatih. Sie ist täglich ab 9 Uhr geöffnet. Im Winter schließt die Museumskirche um 16.30 Uhr, im Sommer um 19 Uhr ihre Pforten.
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